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Stellungnahme des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Niedersachsen e.V.
Rückschlag in Sachen Barrierefreiheit in Niedersachsen: Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung im Landtag gescheitert
In der letzten Landtagssitzung haben die niedersächsische CDU und FDP schon einmal einen Vorgeschmack auf das geliefert, was Menschen mit Behinderungen erwartet, wenn diese nach der Wahl am 15. Oktober die Regierung stellen sollten: Aussitzen, verzögern, verhindern, behindern.
Gestern stand die namentliche Abstimmung zur Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung auf dem Programm. Im Vorfeld hatte sich der Sozialausschuss aller Parteien auf die längst überfälligen Bestimmungen zur Barrierefreiheit bei Neubauten geeinigt. Beteiligt waren dabei auch die Ausschussmitglieder der CDU- und der FDP-Fraktion. Nachdem sich die Mehrheitsverhältnisse durch die Überläuferin Twesten aber zugunsten der Opposition verschoben hatten, deutete sich bereits an, was gestern Wirklichkeit wurde: Der über einen langen Zeitraum erarbeitete Gesetzesentwurf wurde in einer namentlichen Abstimmung von allen Abgeordneten von CDU und FDP abgelehnt. Inklusive der ehemaligen Grünen- und jetzigen CDU-Abgeordneten Twesten. Der fadenscheinige Grund dafür: Das Gesetzesvorhaben sei „zu schnell“ auf den Weg gebracht worden. „Davon kann – nach jahrelanger Vorarbeit auch unter Beteiligung der Behindertenverbände – allerdings überhaupt nicht die Rede sein“ sagt Hans-Werner Lange, Geschäftsführer des BVN. Inklusion ist bei CDU/FDP ein negativ besetztes Thema, da dringend notwendige Veränderungen anstehen. „Gerade bei einer Partei, die das „Christlich“ im Namen führt, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen stark zu machen. Stattdessen fordert man dort eine „Pause“ in der inklusiven Bildung und verhindert Barrierefreiheit und damit gleichberechtigte Teilhabe im Wohnungsbau“ führt Lange fort.
Die Beweggründe für das Nein liegen auf der Hand. Einerseits gab und gibt es starke Widerstände der Wohnungswirtschaftslobby. Barrierefreiheit wird hier nicht als Menschenrecht gesehen, man erhofft sich wohl eine Gesetzgebung „Light“, die jede Menge Spielraum für Interpretationen lässt. Aber auch politische Gründe können vermutet werden: Die jetzige Regierung würde sich mit einer wichtigen Entscheidung für Menschen mit Behinderungen aus ihrer Regierungszeit verabschieden. Das musste wohl verhindert werden.
Alle diejenigen, die auf eine barrierefreie Gestaltung angewiesen sind, gehören zu den Verlierern dieser Abstimmung. Neben körper- und sinnesbehinderten sowie geistig behinderten Menschen zählen dazu übrigens auch die vielen Senioren im Land. Deren Zahl steigt beständig. Somit sind alle Bürger Niedersachsens von dieser Entscheidung betroffen. Irgendwann. Vielleicht schon morgen.
Hannover, 22.09.2017