BVN nimmt erste seheingeschränkte Flüchtlinge auf #34/2022
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
im Newsletter Nr. 33 haben wir über die gemeinsame Rettungsaktion von DBSV und ABSV, dem Berliner Blinden- und Sehbehindertenverein, berichtet, in deren Rahmen 84 Personen aus der Ukraine und aus Orten der polnisch-ukrainischen Grenze abgeholt wurden. 30 von ihnen sind blind oder hochgradig sehbehindert. Der DBSV hatte gemeinsam mit dem Berliner Senat eine Zwischenunterbringung in Berlin sowie die Erstversorgung der erschöpften Ankömmlinge organisiert.
Am letzten Wochenende sind vier der Flüchtlinge in Hannover angekommen und vom Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen aufgenommen worden. Schon als sich kurz nach Kriegsbeginn abzeichnete, dass ukrainische Flüchtlinge kommen könnten, hatte der BVN sich sozialrechtlich informiert, einen Aufruf gestartet, in dem ukrainische und russische Muttersprachler zum Begleiten und Übersetzen gesucht wurden und mit der BVN Grundstücksverwaltung und der ProSenis GmbH geschaut, wo Unterbringungsmöglichkeiten bestehen.
Die werden jetzt benötigt. Das Wilhelm-Marhauer-Haus (WMH), eine ProSenis-Einrichtung für Menschen mit Behinderungen in Hannover-Kirchrode, hat sofort reagiert und den vier blinden und hochgradig sehbehinderten Erwachsenen kurzfristig Zimmer eingerichtet. „Knapp zehn Zimmer haben wir jetzt zur Verfügung“, sagt Einrichtungsleiterin Nicole Lohmann-Walther, „allerdings nur bis zum 31.05. des Jahres, da dann der Umzug in das sich noch im Bau befindliche neue, aber sehr viel kleinere Haus ansteht. Für die Zeit danach müssen dann neue Lösungen her.“
Aber aktuell geht es um das Hier und Jetzt. Bei den vier blinden und sehbehinderten Ukrainer*innen im Alter zwischen 65 und 71 Jahren aus Charkiw handelt es sich um zwei Frauen und zwei Männer. Sie sind miteinander befreundet, zwei von ihnen sind ein Paar. Sie berichten von den Zuständen in der Stadt, von Angriffen und Bomben, von zerstörten Häusern und Trümmern. Von ihren Kindern wurden sie darum gebeten, die Ukraine zu verlassen; es schmerzt sie, dass sie ihre Familien mit den Enkelkindern zurücklassen mussten. Jetzt übersetzen Mitarbeitende aus dem WMH-Team mit russischen und ukrainischen Wurzeln ihre Schilderungen und Berichte. Und überhaupt: Die Hilfsbereitschaft und Unterstützung durch die Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Solidarität durch Menschen von außerhalb ist riesengroß.
Zu denen gehört Lohmann-Walthers Bruder. Er hat eine Art „Patenschaft“ für die Vier übernommen, ist mit ihnen in ein Bekleidungsgeschäft gefahren – sie hatten nur das Notwendigste mitgenommen. Über einen Mobilfunkanbieter konnten vergünstigte SIM-Karten erstanden werden, sodass der Kontakt zu den Familienangehörigen aufrechterhalten werden kann.
Die Dankbarkeit für all das ist groß. Ein eigenes Zimmer, ein eigenes Bett. Die freundlichen und hilfsbereiten Menschen um sie herum – nach den Wochen im Krieg und auf dem Weg aus dem Land heraus mutet die Einrichtung ihnen fast unwirklich an.
Am Montagabend sind zwei weitere Flüchtlinge eingetroffen, eine blinde Mutter mit ihrer sehbehinderten erwachsenen Tochter. So wie es aussieht, werden sie nicht die letzten sein.
Spendenaufruf
Die Blindenselbsthilfe benötigt dringend Hilfe, um Transport, Unterbringung, Verpflegung, Erstausstattung und Betreuung von blinden und sehbehinderten Geflüchteten zu gewährleisten. Sie können die Arbeit des DBSV und seiner Landesverbände durch Spenden unterstützen:
DBSV-Spendenkonto
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
Stichwort „Ukraine-Nothilfe“
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE71 1002 0500 0003 2733 08
BIC: BFSW DE 33 BER
Jochen Bartling
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit